Meditationsweg "Verlorene Kirchen"
Erinnern - Nachdenken - Beten
Kirchen waren immer Teil dieser Stadt, ein wichtiger oft sogar. Sie lebten mit der Stadt, sie luden Schuld auf sich wie die Stadt und sie litten mit der Stadt.
Kirchen sind stadtbildprägende Gebäude, und sie sind Gemeinden, Christinnen und Christen, die Ausstrahlung und Engagement bewiesen haben – bis heute. Oft waren sie das soziale Gewissen der Bürger. Zuweilen konnten sie sogar etwas für den Frieden und für Veränderungen in der Gesellschaft tun, wie im Jahr 1989. Aber die Stadt hatte auch bitter unter ihren Streitigkeiten zu leiden - am schlimmsten 1631, im Dreißigjährigen Krieg. Kirchen waren Zuflucht in Not und Gefahr. Doch sie verhinderten nicht, dass während der Novemberpogrome 1938 die Magdeburger Synagoge zerstört wurde.
Im Feuersturm des 16. Januar 1945 wurden viele Kirchen hart getroffen. In der DDR wollte man sie lange nicht mehr als Teil der Stadt akzeptieren. Das hatte zur Folge, dass durch staatliche Anordnung neun kriegsgeschädigte Kirchen aus dem Stadtbild von Magdeburg verschwanden - davon vier der sechs Hauptkirchen. Die fünfte, die Johanniskirche, blieb bis 1996 Ruine; wiederaufgebaut dient sie heute als städtische Konzert- und Veranstaltungskirche.
Im Seitenschiff des Langhauses der Wallonerkirche, finden Sie den Meditationsweg „Verlorene Kirchen“. Wir laden Sie ein, diesen Kirchen nachzugehen, die es nur noch als Abbildungen gibt. Sie finden sich zudem jeweils in Bronze an den Originalorten im Stadtbild wieder - eine Initiative der Magdeburgischen Gesellschaft e. V.
Wie sahen die Kirchen aus? Wie sah Magdeburg mit ihnen aus? Was bewegte die Menschen, die in ihnen ihre Heimat hatten? Was bedeutete es für diese Stadt, dass Jahrhunderte lang so viele Kirchen hier zu finden waren? Was möchten wir bewahren von dem, was Menschen in ihnen erlebten, erlitten, hörten? Was können wir von ihnen für unsere Zeit und für die Zukunft lernen?
Auslöser der Zerstörung der Kirchen wurde der durch den deutschen Nationalsozialismus verursachte Zweite Weltkrieg, der schließlich unsere Stadt selbst schrecklich heimsuchte und am 16. Januar 1945 die Innenstadt zu 90 Prozent vernichtete.
An all das erinnert der Meditationsweg. Und durch all dies macht er nachdenklich.
Wenn Sie wollen, kann das in ein Gebet einmünden, am Nagelkreuz. Dort finden Sie das Versöhnungsgebet von Coventry.
Aber vielleicht suchen Sie nur etwas Stille, Zeit zum Aufatmen? Hier ist es möglich. Jetzt. Wenn Sie sich auf den Weg begeben.
Das Design wurde von Ernst Albrecht Fiedler, Diplom-Designer, Magdeburg, gestaltet, die Kirchenmodelle von der Bildhauerin Martina Seffers, Magdeburg, hergestellt und die Fotoreihe des Meditationsweges wurde erstellt von Viktoria Kühne, Magdeburg.
Das vieltürmige Magdeburg, "Unsers Herrgotts Kanzlei" gibt es nicht mehr. Das bleibt ein Schmerz. Aber an den Ursachen sind auch die Kirchen selbst beteiligt gewesen, die dem nationalsozialistischen Eroberungskrieg nicht widersprochen haben. Darum kann der Hinweis auf die Verluste in der Kirche nie auskommen ohne das eigene Schuldbekenntnis und das Gebet um Versöhnung.
Verlorene Kirchen
- Pfarrkirche St. Ulrich und Levin
- Pfarrkirche St. Katharinen
- Pfarrkirche St. Jakobi
- Pfarrkirche Heilig-Geist
- Französisch-reformierte Kirche
- Deutsch-reformierte Kirche
- Lutherkirche
- Martinskirche in der Alten Neustadt
- Stiftskirche St. Nikolai (Altstadt)
Pfarrkirche St. Ulrich und Levin
1188, nach dem Stadtbrand, bei dem die erste, uns unbekannte Ulrichskirche abgebrannt war, entstand als zweitälteste Pfarrkirche Magdeburgs die dreischiffige, nun St. Ulrich und Levin geweihte Kirche. Sie lag inmitten der Stadt, heute Ulrichsplatz. 1656 erhielt sie einen barocken Innenausbau und wurde dadurch zur "schönsten Pfarrkirche Magdeburgs".
Seit 1022 gibt es eine Gemeinde an der Ulrichskirche. In der Reformationszeit stand sie im Mittelpunkt des Geschehens. 1524 bis 1542 wirkte hier Nikolaus von Amsdorf, der von Luhter empfohlene erste Magdeburger Superintendent, auch als Erneuerer des Schulwesens und Gründer der "schola Johannita". Er war einer der Autoren der reformatorischen Streitschriften, die Magdeburg den Titel "Unseres Herrgotts Kanzlei" einbrachten. Ab 1567 waren der Pädagoge Georg Rollenhagen, fast lebenslang Otto von Guericke (1602-1685) und ab 1839 Gustav Rebling (1821 - 1902) als pominente Gemeindeglieder mit der Ulrichskirche verbunden.
Die Kirchenmusik spielte an der Ulrichskirche eine große Rolle. 1524 bis 1556 war Johannes Agricola "Cantor Scholae Magdeburgensis" und damit zugleich "Director musices" aller sechs Pfarrkirchen. Das gleiche Amt übte 1752 bis 1785 Johann Heinrich Rolle aus. 1789 bis 1794 war August Eberhart Müller, der spätere Leipziger Thomaskantor, Organist an St. Ulrich und Levin.
Bei den Bombenangriffen am 16. Januar 1945 wurde die Kirche getroffen, doch Fassade und Türme blieben stehen. Der Wiederaufbau wäre gut möglich gewesen. Dennoch wurde die Ulrichskirche - trotz zahlreicher inner- und außerkirchlicher mutiger Proteste - am 05. April 1956 gesprengt, weil sie an der, der Stalin-Allee in Berlin nachempfundenen, Wilhelm-Pieck-Allee (heute Ernst-Reuter-Allee) das sozialistische Stadtbild gestört hätte. Ein originalgetreuer Wiederaufbau, den das Kuratorium Ulrichskirche e.V. seit 2007 anstrebte, wurde durch den Bürgerentscheid des Jahres 2011 mehrheitlich abgeleht. Seitdem gibt es Pläne, diesen Ort auf andere Weise zu einer sichtbaren Stätte des Gedenkens zu machen. Dabei ist daran gedacht, ein Portal aus noch vorhandenen alten Steinen von St. Ulrich und Levin an früherer Stelle zu errichten. Seit 2002 erinnert dort ein Modell an die Pfarrkirche St. Ulrich und Levin und hier in dieser Kirche ist das gerettete Kreuzigungsrelief zu finden. Foto: Sprengung der Ulrichskirche (Volksstimme Magdeburg)
Pfarrkirche St.Katharinen
1230 begann der Bau der Kirche mit den bis zuletzt weitgehend romanischen Türmen. Danach entstand die dreischiffige Hallenkirche (1485). Nach dem Dreißigjährigen Krieg erhielt die Turmfront ein Barockportal mit einer lebensgroßen Heiligen Katharina im Giebel.
Die Katharinenkirche war schon im Mittelalter eine der größten Innenstadtgemeinden. 1524 wurde in ihr durch Pfarrer Johann Ziegenhagen die Reformation eingeführt. 1699 bis 1703 wirkte hier der Organist Johann Bernhard Bach, ein Cousin von Johann Sebastian Bachs, und 1771 wurde der Politiker und Schriftsteller Johann Daniel Heinrich Zschokke hier getauft, der später in der Schweiz wirkte. 1847 gründete der Katharinenpfarrer Leberecht Uhlig die "Lichtfreunde", die hart bekämpft wurden und mit Uhlig aus der Landeskirche herausgingen. 1923 bis 1945 war Kirchenmusikdirektor Werner Tell - später der Gründer des "Magdeburger Kantatenchores" - der letzte Organist der Gemeinde. Heute ist die Katharinengemeinde in der Kirchengemeinde Magdeburg-Altstadt (Kirchspiel Altstadt-Martin) aufgegangen und in der Wallonerkirche zu Hause.
Bei aliierten Bombenangriffen wurde die Kirche zunächst zur Zuflucht, doch am 28. September 1944 wurde auch sie getroffen und brannte völlig aus. Ihr Wiederaufbau war zu DDR-Zeiten durch staatliche Stellen fest zugesagt worden. Es gab "Aufbaulager" der "Gossner Mission" und der "Aktion Sühnezeichen". Doch dann wurden "aus städtebaulichen Gründen" auf staatliche Anordnung 1964/1965 zunächst das Kirchenschiff gesprengt und dann der Turm von St. Katharinen abgetragen und beseitigt. Magdeburg sollte eine sozialistische Stadt werden, in der Kirchen keine Rolle mehr spielten.
Katharinens Turmfront am Breiten Weg hatte einst das Aussehen der historischen Magistrale geprägt. Das heutige Hochhaus an dieser Stelle trägt den Namen Katharinenturm. Direkt daneben wurde das Portal der Kirche 2016 wiedererrichtet. Hier in der Wallonerkirche ist die gerettete Katharinenskulptur des Portals zu finden.
Pfarrkirche St. Jakobi
1230 begann der Bau dieser an Grundfläche größten Stadtkirche Magdeburgs. 1381 bis 1497 wurde ihr Langhaus als dreischiffige Hallenkirche errichtet. Eindrucksvoll waren besonders ihre backsteingotischen Vorhallen, ähnlich der Vorhalle von St. Petri. 1524 führte die Jakobigemeinde, wie alle Innenstadtkirchen, die Reformation ein. Nah an der nördlichen Stadtmauer gelegen erlebte die Kirche in den konfessionellen Kriegen 1550/1551 aus erster Hand die Zerstörung der Neustadt durch Moritz von Sachsen mit. Berühmt wurde dabei der Kanonier Andreas Kritzmann, der damals vom Turm der Jakobikirche so lange und nachhaltig die anrückenden Truppen beschoss, bis Moritz den Abzug befahl. Kritzmann jedoch kam ums Leben und wenig später stürzte der beschädigte Turm in das Kirchendach.
1861 berichtete Wilhelm Raabe davon in seinem Roman "Unseres Herrgotts Kanzlei". Als bedeutender Prediger und Dichter frommer Lieder ("Der lieben Sonne Licht und Pracht") gilt der Jakobipfarrer Christian Scriver (1629 bis 1693). Sein Grabmal und das seiner Familie stehen heute im Kreuzgang der Wallonerkirche. 1950 ist die Jakobigemeinde in der Kirchengemeinde Magdeburg-Altstadt (Kirchspiel Altstadt-Martin) aufgegangen und in der Wallonderkirche zu Hause.
Dreimal wurde die Jakobikirche im Laufe der Geschichte zerstört, endgültig bei den Bombenangriffen am 16. Januar 1945. Ihre Ruine wurde auf staatliche Anordnung im Oktober 1959 beseitigt. Wo sie stand, sind heute Wohnhäuser, Geschäfte und Grünanlagen. Seit 2003 erinnert in der Jacobstraße ein Modell an die Pfarrkirche St. Jakobi.
Pfarrkirche Heilig-Geist
Die Pfarrkirche Heilig-Geist entstand als Hospitalkirche des 1214 gegründeten Heilig-Geist-Hospitals südlich der Johanniskirche (heute Goldschmiedebrücke). Es gab mehrfach Umbauten, auch unter Einbeziehung der benachbarten St. Annenkapelle, deren Chor an der Südseite erhalten blieb.
1631 wurde die Kirche zerstört, aber 1651 als erste Stadtkirchen für alle Altstadtgemeinden notdürftig wieder hergerichtet, nach 1690 als dreischiffige im gotischen Stil errichtete Kirche rekonstruiert und mit einem Sterngewölbe im Mittelschiff versehen. Bis ins 15. Jahrhundert hinein wurden die Kranken und Armen von Heilig-Geist von der Gewandschneiderinnung finanziert und durch die Pfarrkirche St. Johannis mit versorgt.
1524 wurde an der Kirche durch den Franziskanermönch Johannes Fritzhans die Reformation eingeführt - Ausgangspunkt für ihre neue Rolle als Pfarrkirche. Dort wirkte im 17. Jahrhundert auch der Vater des Komponisten Georg Philipp Telemann, der seinen Sohn 1681 hier taufen ließ.
Mehrmals wurde die Heilig-Geist-Kirche zum Asyl für Gemeinden, die ihre Kirche verloren hatten: 1806 und 1813 für Dom und St. Ulrich und 1951 für alle Innenstadtgemeinden. 1945 brannte die Kirche bei Bombenangriffen völlig aus, wurde jedoch - mit ausländischer Hilfe und sehr mühselig - als "Notkirche" für die Altstadtgemeinden wieder aufgebaut. Pfingsten 1951 konnte der erste Gottesdienst gehalten werden.
Doch schon bald war deutlich, dass die Kirche das sozialistische Stadtbild "störte". So wurde der Abriss befohlen - im Mai 1959 - verbunden mit dem Versprechen, dass stattdessen St. Katharinen wieder aufgebaut werden dürfe ...
Seit 2001 erinnert in der Goldschmiedebrücke ein Modell an die Pfarrkirche Heilig-Geist.
Französisch-reformierte Kirche
Für die Französisch-reformierten Glaubensflüchtlinge, die ab 1686 einwanderten, wurde zuerst die etwas marode Gertraudenkirche am Knochenhauerufer zur Verfügung gestellt. Dann entstand - in Erinnerung an die 1683 in Glaubenskämpfen zerstörte Kirche im hugenottischen Glaubenszentrum Montauban - ein ähnliches Kirchengebäude.
Nach dem Entwurf des Berliner Architekten Emanuel l'Etang wurde von 1705 bis 1710 hinter dem heutigen Hochhaus in der Jacobsstraße (Weitlingstraße) ein barocker, prächtig ausgestatteter Kirchenbau mit einem achteckigen Grundriss fertig gestellt. 1804 brannte er nieder, wurde unmittelbar danach in ähnlichem Stil, jedoch deutlich kleiner, neu gebaut.
Zur Französisch-Reformierte Gemeinde gehörten viele hugenottische Offiziere, aber auch z.B. die Unternehmerfamilie Cuny. Lange blieb die Gemeinde bei der französischen Sprache, ab 1815 wurden die Kirchenbücher in deutscher Sprache geführt, ab 1822 in deutsch gepredigt.
Bei dem größten Bombenangriff der Aliierten am 16. Januar 1945 wurde die kleine Kirche völlig zerstört. Dem Antrag auf Wiederaufbau wurde in der DDR-Zeit nicht entsprochen. Trotz vieler Proteste wurde die Ruine am 20. Oktober 1960 gesprengt.
Deutsch-reformierte Kirche
Am 10. Juli 1896 wurde gegenüber dem heutigen Haydnplatz der Grundstein für die neue Deutsch-reformierte Kirche gelegt. Zuvor hatte die Gemeinde zunächst die Gangolfi-Kapelle am Domplatz und von 1700 bis 1895 die danach abgerissene Paulinerkapelle am Breiten Weg genutzt.
Die Kirche wurde im frühgotischen Stil errichtet, mit einem 72 m hohen Turm. Der Innenraum hatte eine umlaufende zwölfeckige Empore. Kanzel, Abendmahlstisch und eine Rühlmann-Orgel waren in einer Achse angeordnet. Zur Deutsch-reformierten Gemeinde fanden sich seit 1692 die seit 1666 als Mitarbeiter und Mitglieder des brandenburgisch-kurfürstlichen Hofes in Magdeburg ansässigen Reformierten mit den Deutschen in der "Pfälzer Kolonie" -1689 aus der Pfalz vertriebene Reformierte- zusammen.
Bekannte Gemeindeglieder waren der noch in der Paulinerkapelle getaufte spätere General des nordamerikanischen Unabhängigkeitskrieges, Friedrich Wilhelm von Steuben (1730-1794), der Adjutant Lützows Karl Friedrich Friesen (1784-1814) und der Großkaufmann Adolf Mittag (1833-1920). 1950 vereinigte sich die Deutsch-reformierte Gemeinde mit der Wallonisch- und der Französisch-reformierten zur Evangelisch-reformierten Gemeinde Magdeburg.
Bei Bombenangriffen 1944 und am 16. Januar 1945 wurde die Kirche so stark zerstört, dass ein Wiederaufbau nur schwer möglich gewesen wäre. Ihre Steine fanden beim Bau der römisch-katholischen Sankt-Andreas-Kirche im Magdeburger Stadtteil Cracau Verwendung.
Lutherkirche
Das erste Kirchengebäude der Gemeinde "Friedrichstadt", dem heutigen Brückfeld am östlichen Ufer der Elbe, reichte um 1865 für die Bedürfnisse der Gemeinde nicht mehr aus. Darum wurde 1880 bis 1882 eine neogotische Kirche erbaut, die 1897 den Namen "Lutherkirche" erhielt und bis 1944 die Kirche der Luthergemeinde war.
Mitte des 18. Jahrhunderts entstand au einer ehemaligen Schanze am Ostufer der Elbe eine Siedlung, Friedrichstadt. Dort lebte bis Ende des Zweiten Weltkriegs viel Militär, denn in der Friedrichstadt war damals die größte militärische Ausbildungsstätte Mitteldeutschlands mit zahlreichen Kasernen. Seit der Zerstörung der Lutherkirche ist die Gemeinde - seit 1986 unter dem Namen "Trinitatisgemeinde" mit der Magdeburger St. Johannisgemeinde vereint - in der Ida-Hubbe-Kapelle (Berliner Chaussee 42) zuhause. Sie versteht sich als Gemeinde der "Geistlichen Gemeindeerneuerung".
Bei Bombenangriffen der Alliierten wurde die Kirche am 21. Januar 1944 fast völlig zerstört und bald danach restlos abgetragen. Auf ihrem Gelände entstanden nach dem Krieg Wohnhäuser. Der Kirchengemeinde wurde zum Ausgleich ein Grundstück zugewiesen, doch ein Kirchenneubau kam nicht zu Stande, weil die Rote Armee dieses Gelände bis 1994 nutzte.
Martinskirche in der Alten Neustadt
Die Martinskirche, eine neogotische Backsteinkirche, wurde 1898 bis 1902 auf dem Dräseckeplatz in der Alten Neustadt errichtet. Sie sollte den dortigen, noch zur Nikolaikirche gehörenden evangelischen Christen als Gemeindekirche dienen.
Ihren Namen erhielt sie im Gedenken an Martin Luther, an dessen Geburtstag sie geweiht wurde. Mit ihrem 66 m hohen Turm, der reichen Ausmalung und einer großzügigen Ausstattung im Jugendstil bot sie dem Betrachter einen imponierenden Eindruck. Der mächtige Turm beherbergte zwei Glocken, die bereits 1917 für die Kriegsindustrie des Ersten Weltkrieges abgeliefert werden mussten.
Seit 1912 existiert die Martinsgemeinde als eigenständige Gemeinde und bildet heute mit der benachbarten Altstadtgemeinde ein Kirchspiel. Damit ist sie, dedankt man die Geschichte der Altstadtgemeinden und ihrer Kirchen, vergleichsweise jung.
Am 16. Januar 1945 wurde die Martinskirche von Bomben getroffen und brannte aus. Ein Wiederaufbau wurde nicht zugelassen, sondern die Ruine 1959 gesprengt. An ihrer Stelle stehen heute Wohnhäuser. Eine 1922 gespendete Glocke ist heute das einzige, was von der Kirche übrig blieb. Sie steht - mahnend und stumm - vor dem Martinsgemeindehaus, in dem die Gemeinde seit der Zerstörung der Kirche zu Hause ist.
Stiftskirche St. Nikolai (Altstadt)
Die turmlose Sankt-Nikolaikirche in der Altstadt war eine Stiftskirche in der Nähe des Domplatzes, vormals Neuer Markt. Ursprünglich dem heiligen Nikolaus geweiht, dem Schutzpatron der Händler und Elbschiffer, hatte sie einen nahe gelegenen Vorgängerbau, der zuvor abgerissen wurde. Der Neubau der großen dreischiffigen Hallenkirche, 1310 bis 1360, wurde schlicht erstellt aus regionalen Natursteinen. Der Grundriss war rechteckig, im Norden ein Kreuzgang angefügt.
Diese Sankt-Nikolaikirche ist nicht mit der bestehenden und von Karl Friedrich Schinkel erbauten Nicolaikirche in der Neuen Neustadt zu verwechseln, die im Jahr 1824 eingeweiht wurde.
Als Stiftskirche war die Sankt-Nikolaikirche nicht in das Parochialsystem eingebunden. Das heißt, zu ihr gehörte keine eigene Gemeinde. Die Geistlichen lebten von den Einkünften der Ländereien, die zum Erhalt der Kirche gestiftet waren. Am Nikolaustag des Jahres 1573 wurde in der Kirche der erste evangelische Gottesdienst gefeiert. Nach der Erstürmung Magdeburgs, 1631, und der Beseitigung der Folgen fand zunächst wieder eine gottesdienstliche Nutzung der Kirche statt. Durch das Fehlen einer eigenen Gemeinde erlosch das geistliche Leben jedoch bald.
Vom 18. Jahrhundert an gab es eine wechselvolle Nutzungsgeschichte als Familienbegräbnisstätte, Militärkrankenhaus, Kaserne und schließlich als Zeughaus und Lager.
Am Beispiel der Sankt Nikolaikirche ist das wechselvolle Auf und Ab der Stadtgeschichte abzulesen. Die inzwischen profanisierte Kirche wurde von den Nationalsozialisten ihres eigentlichen Zweckes als Gotteshaus restlos beraubt, die dort eine Weihestätte für ihre völkische, rassistische und antisemitische Ideologie errichteten und das Stahlhelm-Museum Magdeburg in die Kirche aufnahmen.
Durch die Bombardierung Magdeburgs am 16. Januar 1945 wurde auch die Sankt-Nikolaikirche stark zerstört. Sie wurde 1959 abgerissen. Heute stehen an ihrer Stelle das Hundertwasserhaus und ein Modell der Kirche direkt am Breiten Weg.